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Tag #978: Selektion

Auf tagesschau.de lese ich die Meldung Bundestag stimmt für begrenzte PID-Zulassung. Es werden Politiker zitiert:

"PID bedeutet Selektion. Unter den künstlich hergestellten Embryonen werden die einen ausgewählt und die anderen verworfen. Es wäre quasi eine Zeugung auf Probe." Wolfgang Zöller

"Die PID verhindert möglicherweise in einzelnen Fällen Leid, aber sie verhindert in jedem Fall das Lebensrecht von gezeugtem, menschlichen Leben. Wir sollten das nicht tun." Wolfgang Thierse

Was ist denn "gezeugtes Leben"? Eine befruchtete Eizelle ist doch nur eine Datenstruktur. Ein Stück Software. Leben ist es erst, wenn es losläuft, und das tut es wohl kaum vor der Implantation. Das Lebensrecht liegt auf dem Leben, also auf der (Hirn- und Nerven-)Aktivität, und damit erst mit Beginn dieser auch auf dessen Grundlage. Nicht vorher.

Wohlbemerkt: Ich argumentiere hier nicht für die PID, sondern nur gegen dieses eine Argument dagegen. Thierse überzeugt mich damit nicht. Mit dem gleichen Argument sind auch Kondome Mord, weil sie eine Zeugung verhindern und damit Leben töten, das zu leben bestimmt war. Ich hingegen meine: Was noch nicht lebt, ist noch kein Leben.

Das Argument von Zöller ist hingegen schon schwerwiegender, denn wenn man Selektion erlaubt -- wie definiert man die Grenzen? "In welchen Fällen die PID angewendet werden darf, soll eine Ethikkommission entscheiden" sagt die Tagesschau-Meldung. Das kann doch keine Lösung sein.

Beim Selektionsproblem ist auch der Zeitpunkt nicht entscheidend. Ein paar Tage nach der Implantation (wenn das Leben beginnt) wäre Selektion Euthanasie, also die Ausmachung und Tötung "unwürdigen Lebens". Bei der Präimplantationsdiagnostik (bzw. einer vor der Implantation daraus gezogenen Konsequenz) wird aber genauso selektiert. Anstatt unwürdiges Leben zu töten, verhindert man es gleich. Das macht jedoch genau gar keinen Unterschied. Man definiert Unwürdigkeit und redet sich mit Ethik raus. Das geht überhaupt nicht.

Allerdings: Selektion haben wir heute überall. Jeder Wettbewerb ist Selektion, und alles -- selbst Bildung und Sport -- ist heute auf Wettbewerb ausgerichtet. Die Konsequenzen sind hart und wirken drastisch auf die Existenz- und Teilhabemöglichkeiten der Menschen ein. Die Logik unserer Zeit ist, immer früher mit der Selektion zu beginnen und immer deutlicher zu spalten. Darum geht es bei der PID. Hier kann man bestimmtes Leben ganz verhindern, ohne zu töten. Früher und wirksamer geht Selektion nicht.

Diese Erkenntnis aber bricht auch das Argument von Zöller. Denn wenn wir Selektion überall machen (und ich sage nicht, dass das gut ist -- ich sage, dass das schlecht ist!), warum dann nicht auch hier? Es sei denn, ich habe falsch verstanden, was jene "künstlich hergestellten Embryonen" sind. Laut PID-Eintrag im der Wikipedia ist es hier etwas, das "aus sechs bis zehn Zellen besteht". Danach habe ich es also richtig verstanden: Leben ist es noch nicht, denn die Software läuft noch nicht. Alternativ Zellteilung an sich schon als Leben zu betrachten, wäre keine sinnvolle Definition.

Bleibt dennoch das Selektionsproblem. Aber das eben nicht nur bei der Präimplantationsdiagnostik. Es ist ein Kernproblem unserer gesamten Gesellschaft: Der Nützlichkeitsrassismus.