Wenn ich einfach so mal wieder in das Webfrontend von Twitter schaue, dann stelle ich fest, dass sich seit meinem letzten Besuch ein bisschen was getan hat. Insbesondere gibt es ein "Activity"-Tab, das mir bisher nicht aufgefallen war und vermutlich neu ist. Darin stehen Meldungen wie "A followed B and C" oder "A and B retweeted X" oder "A and B favorited X" oder "A and B added C to lists M and N and O".
Was im "Activity"-Tab vorkommt, sind also diejenigen Twitter-Verben, die sich auf ein Objekt beziehen (to follow und to add auf Accounts bzw. to retweet und to favor auf Tweets). Für das Verb "to tweet", das sich nicht auf ein Objekt bezieht, gibt es weiterhin das separate Tab "Timeline". Dort sind wie gehabt die Tweets der verfolgten Accounts -- und auch (als retweeted markiert) diejenigen von wiederum deren Retweets, deren Accounts man NICHT folgt. (Retweeted Tweets von Accounts, denen man folgt, sieht man nun im neuen "Activity"-Tab.)
Ein bisschen erinnert diese Trennung von "Timeline"- und "Activity"-Stream bei Twitter an Facebook. Dort gibt es auch seit einiger Zeit einen vom "News Feed" getrennten sog. "Ticker", in dem die Facebook-Verben vorkommen wie "A commented on X" (oder "A is attending E" oder "A and B are now friends" oder "A likes H" oder "A added a new photo" oder "A shared Z" oder "A was tagged at P", usw.). Allerdings kommen im Ticker auch normale Statusmeldungen vor (das Pendant zum Tweet), also insgesamt alles. Und im News Feed gibt es bloß voll-redundante Bereiche mit "top stories" und "more recent stories" und "from earlier" usw., die lediglich gefilterte Sichten auf den Ticker-Stream sind. Hier hat Twitter mit klarer Trennung des Contents bei den Tabs ein wesentlich durchschaubareres Konzept. Facebook bietet nur (und dazu recht intransparente) Relevanzfilter auf die ganze Soße.
So weit und einfach die Sache mit den Verben und Aktivitätsströmen. Krasser geworden (ich weiß nicht wie lange schon) scheint mir bei Twitter auch der multimediale Charakter von Tweets zu sein. Einer der Multimedia-Aspekte, die ich meine, ist die Sache mit den Links: So lassen sich mit der Desktop-Anwendung TweetDeck (obwohl Twitter sie kürzlich gekauft hat) z.B. Texte mit verkürzten Links via beispielsweise is.gd nicht mehr twittern ("to twitter" wird synonym für "to tweet" verwendet). Die Twitter-API weist das einfach ab. Der Abschickversuch in TweetDeck scheitert. Über das Webfrontend geht es noch, allerdings werden dort alle Links auf den Twitter-eigenen Verkürzungsdienst t.co umgebogen, ohne dass man das im Tweet sieht. Jeder Link verbraucht so unabhängig von seiner Länge genau 20 der maximal 140 Zeichen eines Tweets (1 mehr als is.gd), wird in der Anzeige (auch in TweetDeck) aber auf 30 Zeichen beschränkt. Damit müssen pro enthaltenem Link bis zu 10 Zeichen mehr dargestellt werden (was TweetDeck wiederum aber nicht kann und daher viele Tweets einfach abschneidet, sie also nicht vollständig anzeigt). Das Ganze macht nicht nur Anwendungen wie TweetDeck unbrauchbar, sondern auch alle Linkverkürzungsdienste.
Der andere Multimedia-Aspekt, den ich meine, sind Bilder: Im Account-Profil im Webfrontend von Twitter werden "Recent images" dargestellt. Darunter eigene, die man auf Dienste wie twitpic hochgeladen und per Link bei Twitter erwähnt hat, aber auch fremde, die als Link in Tweets vorkamen, die man auf klassische Weise per RT-Konvention retweeted hat ("RT @someone: " dem von @someone kopierten Text voranstellen). Man navigiert durch diese Bilder komplett im Twitter-Webfrontend selber (also nicht im externen Dienst, wo sie eigentlich hingeladen wurden), und sie werden Betrachtern inkl. der fremden Bilder auch noch als eigene Bilder präsentiert. Ich halte das für äußerst kritisch. Auch in der Webdarstellung einzelner Tweets mit verlinkten Bildern, werden jene Bilder übrigens eingebettet dargestellt. Vorbei die Zeit, wo ein Tweet ein einfacher Text mit 140 Zeichen war. Völlig vorbei! Ebenso die Zeit externer Bilderdienste.
Was mit externen Apps auch nicht mehr geht, ist Listen pflegen. So habe ich mit Gravity (meiner Handy-App für Twitter) z.B. eine Liste "lustige" angelegt. Diese läßt sich nun aber (auch über das Webfrontend) weder löschen noch umbenennen noch mit Accounts befüllen. Und benenne ich eine andere Liste in "lustige" um -- was geht -- so wird jene automatisch zu "lustige-5". Eine Liste "lustige" kann ich von meinem Account also nie wieder publizieren. Mit dem Webfrontend angelegte Listen lassen sich zwar noch auf der Handy-App befüllen, aber die berechtigte Frage ist, wie lange noch. Twitter hat mit der Vernichtung von diversen populären (aber eben externen) Diensten und Apps quasi das gesamte Ökosystem der Plattform zerstört. Was bleibt, ist ein Webfrontend und Millionen kommerzieller Marken-Accounts. Von normalen Usern wird man schon lange nicht mehr verfolgt. Wozu das Ganze dann überhaupt noch? Könnte man sich wohl berechtigterweise fragen.
Eine abschließende Bemerkung noch zu Google+, das es ja noch nicht so lange gibt: Nicht-User-Accounts, sog. Pages, gibt es dort ja nun auch. Wie bei Facebook (und anders als bei Twitter) mit leicht anderer Funktionalität als bei User-Accounts. Bei Google+ liked man Pages aber nicht, um ihnen zu folgen (wie bei Facebook), sondern man kreist sie ein. Man nimmt dort also wie bei Twitter User und Pages gleichwertig in seine Listen (die bei Google+ "Circles" heißen) -- und danach können auch die einem dann folgen. Was ich davon halten soll, weiß ich noch nicht. Mir wird Google+ immer suspekter. Es hat mir einfach zu viel von Twitter. (Z.B. auch die im Account gespeicherten Suchanfragen -- ein Feature, das ich bei Facebook noch nicht gesehen habe und dort auch nicht vermissen würde.)
Vielleicht sollte ich noch mal die drei Funktionen von Listen aka. Kreisen untersuchen, die ich schon vor einigen Monaten betrachtet hatte. Facebook hat sich ja seitdem von Google+ treiben lassen und diverse Dinge nachgemacht. So wurden z.B. Streams von Listen eingeführt und die Listen in die vorderste Präsenz gerückt. Außerdem gibt es nun neben "Friends" auch noch "Subscribers" und "Subscriptions", also asymmetrisches Folgen. Und die Pflege von Listen geht nun sogar noch geschmeidiger als die von den Kreisen in Google+. Google+ hingegen hat in der Zeit fast nichts verbessert. Inbesondere das Fehlen eines Activity-Stroms (bei dem Twitter und Facebook ja besonders zugelegt haben), Permalinks an Kommentaren (an Enties gibt es immerhin inzwischen welche), sowie die Reihenfolge der Beiträge nach Datum des letzten Kommentars, und die Nichtverfolgbarkeit geteilter Beiträge (die Ripples sind eine Lachnummer!), usw., machen Google+ nach wie vor unbrauchbar. Und Dinge wie das Exportieren/Importieren von Kreisen sind geradezu absurd, da dort nur Account-Referenzen kopiert werden. Bei Twitter hingegen bleiben verfolgte Fremdlisten auch fremd-kuratiert. Erst das stiftet ja den Nutzen! Hier ist Google+ bei dem Versuch, ein weiteres Twitter-Feature nachzumachen, elendig gescheitert. Und Hiden kann man auch noch nichts. (Bei Twitter bisher allerdings auch keine Accounts, sondern nur deren Retweets. Hier ist Facebook am weitesten vorne.)
Ok, all das ging mir durch den Kopf, als ich mir eben Twitter mal wieder genauer angesehen habe. Wie Facebook und Google+ lebt es und entwickelt sich. Verändert sich stark. Und weil mich das interessiert, werde ich es weiter beobachten...
0 comments