Bei Sascha Liebermann erschien heute der Artikel "Pädagogisierung der Bürger oder praktizierte Demokratie? – Anmerkungen zu einem Vortrag von Franz Segbers". Thematisiert wird dort jener Vortrag vom 8. Februar 2011 in Bremen, den ich besucht und anschließend in meinem Blog-Beitrag Wann ist ein Grundeinkommen emanzipatorisch? kritisiert hatte (zusammen mit einem anderen Grundeinkommensvortrag in der selben Woche).
Ich schrieb dort über Segbers u.a. "Sein Vortrag war zutiefst widersprüchlich" und "propagierte er ein zutiefst nicht-emanzipatorisches Modell". Und "Das Grundeinkommen selber will er auch gar nicht einführen, sondern nur als Idee verstanden wissen, 'die die Weiterentwicklung der Gesellschaft antreibt'". Seine Argumentation war in der Analyse durchaus richtungsweisend, in den vorgeschlagenen Maßnahmen aber fehlgeleitet und rückwärts orientiert. Der Inhalt seines Vortrags traf bei mir entsprechend auf deutliche Zustimmung und scharfe Ablehnung zugleich. Ungewöhnlich ist das bei dem Thema nicht, aber bei Segbers war es besonders krass und deutlich. (Ich hatte ihm das in der Nachbesprechung, zu der mich Norbert Schepers von der Rosa-Luxemburg-Stiftung dankenswerterweise eingeladen hatte, auch persönlich gesagt. Ich erinnere mich sehr gut an diese Nachbesprechung, weil es dort aus den Reihen der BIG, die den Vortrag organisiert hatte, u.a. auch böse Zungen über Sascha Liebermann gab, dessen Texte ich -- wie ich dort auch bekundete -- selber sehr schätze.)
Bei Ronald Blaschke geht es mir übrigens ähnlich (das mit dem "deutliche Zustimmung und scharfe Ablehnung zugleich"). Die letzte Woche des Grundeinkommens im Herbst 2010 begann mit einem (ebenfalls von der BIG organisierten) Vortrag von Blaschke, bei dem mir vor allen Dingen in Erinnerung blieb, dass er das System der DDR verharmloste. Man können nun "die Banane kaufen" und "neben Ungarn auch in Spanien Urlaub machen kann", aber -- und leider habe ich keine Notizen, um ihn auch hier wörtlich zitieren zu können --, dafür seien die ganzen tollen Errungenschaften der DDR entsorgt worden. (Immerhin war die von Norbert Schepers moderierte Diskussion nach dem Vortrag auf einem sehr hohen Niveau, so dass sich die Teilnahme doch gelohnt hat. -- Wobei es übrigens Teilnehmer mit einer "diametral anderen Wahrnehmung" sowohl zu Blaschke als auch zur anschließenden Diskussion gab, wie ich in meiner ersten Begegnung mit der BIG erfuhr, die so viel weniger erfreulich war als z.B. meine erste Begegnung mit der von Norbert Schepers gegründeten Bremer LAG BGE.) Später in Hamburg (auf der Mitgliederversammlung des Netzwerks Grundeinkommen) machte Blaschke aber einen vernünftigeren Eindruck.
Aber zurück zu Segbers bzw. Liebermanns heute erschienener Kritik an dessen Vortrag (auf Basis des Rede-Manuskripts). Ach nein, doch erst noch mal zur Rede von Segbers direkt (nach meiner Erinnerung). -- Ich darf heute herumeiern, denn das Thema ist ja "Wirre Gedanken" ;-) --. Bei einer seiner Argumentationen gegen die tatsächliche Einführung eines BGEs brachte Segbers u.a. das Beispiel einer Dame, die ihm (sinngemäß) erzählte: "Mein Sohn sitzt den ganzen Tag auf dem Sofa und findet keine Arbeit. Ein Grundeinkommen würde ihm nicht helfen, denn er kriegt ja Hartz 4. Was er braucht, ist Arbeit!"
Was mir dabei durch den Kopf ging, war folgendes: Etliche Bekannte von mir gehen (nervlich und zeitlich) einer (gesellschaftsrelevanten) Vollbeschäftigung nach -- aber in überwiegend ehrenamtlicher oder selbständiger Kultur- oder Sozialarbeit. Viele davon "leben" mit einem Einkommen unterhalb von Hartz 4. Einige in echter "versteckter Armut" -- also ohne beantragte Aufstockung --, weil sie ihre Arbeit nicht mehr machen könnten, wenn sie sich mit den Erniedrigungen des Hartz-4-Systems auseinandersetzen müssten. Andere deshalb, weil sie so lange keine Hartz-4-Ansprüche haben, bis ihre Alterssicherung -- und damit ihr finanzielles Lebenswerk -- irreversibel zerstört ist. Noch wieder andere kriegen Hartz 4 (sie sind schon verarmt und können es sich nervlich leisten) -- manche in der "Förderung" (sie müssen "nur" eine Abrechnung vorlegen), andere in der "Vermittlung" (diese müssen abgelehnte Bewerbungen nachweisen - was aber "nicht schwierig" sei, weil Bewerbungen mit einer Lohnforderung oberhalb einer Hartz-4-Deckelung im einzig offenstehenden Niedriglohn-Arbeitsmarkt automatisch abgelehnt werden).
Was ich sagen will: KEINEM davon (und schon gar nicht der Gesellschaft) nützt "Arbeit" (im Sinne von Erwerbsarbeit), und KEINEM davon nützt "Sanktionsfreiheit" als alleiniger erster Schritt in Richtung Grundeinkommen. Ich halte insbesondere die Forderung nach einer Abschaffung von Sanktionen ohne die begleitenden anderen Maßnahmen (Abschaffung der Bedürftigkeitsprüfung, der Bedarfsgemeinschaft und der Zuverdienstgrenze) für nicht zustimmungsfähig in der Bevölkerung. Das würde die "Neiddebatte von oben" nur anheizen (Stichwort Lohnabstandsgebot) und die Debatte um die Finanzierbarkeit eines Grundeinkommens erschweren.
Was aus meiner Sicht erforderlich ist, ist ein Umdenken in der Gesellschaft. Deutschland ist heute so wenig von Hartz-4-Politikern besetzt, wie es im Dritten Reich von Nazis besetzt war. Hartz 4 ist Deutschland. Das ist vom Volk so gewollt! Erst wenn die Masse der Menschen (ohne jegliche intellektuelle oder wissenschaftliche Kenntnisse von konkreten Grundeinkommensmodellen) dieses Umdenken fordert, kann es politisch jenseits von esoterischen Debatten aufgegriffen werden. Sascha Liebermann schreibt dazu "Manche mögen einwerfen, die sogenannten Hartz-Gesetze seien doch auch von oben den Bürgern übergestülpt worden. Das halte ich für einen Mythos. Wer über Jahre Erfahrung in der Grundeinkommensdiskussion gesammelt hat, weiß, dass der Geist der Hartz-Gesetzgebung breit verwurzelt ist, die Gesetzgebung also widerspiegelt, was als Konsens der Mehrheit gelten kann." Zustimmung!
Liebermann wirft Segbers außerdem auch Kulturpessimismus vor. Ich erinnere mich an Segbers' Botschaft in dem Vortrag genau: Man müsse die Menschen erst vom Konsumzwang befreien, bevor man ihnen ein Grundeinkommen geben könne. (Siehe dazu meinen Vergleich mit Dilthey in meinem Emanzipatorik-Artikel. Dieser sprach sogar von "der Notwendigkeit, den Konsum zu subventionieren".) Liebermann zitiert Segbers: "Fast jede Kontaktaufnahme mit der Wirklichkeit verstärkt heute eine konsumistische Lebenspraxis, die die Enteignung eigenen Fühlens, Denkens, Wollens befördert. Was fangen Menschen mit der ermöglichten Freiheit an? Wozu führt die Freiheit vom Zwang zur Erwerbsarbeit? Werden sie der kapitalistischen Konsummaschinerie ausgeliefert? Geraten sie aus den Zwängen entfremdeter Erwerbsarbeit in die neuen Zwänge der Konsumindustrie?"
Und Liebermann entgegnet: "Wie Franz Segbers diese Einschätzung – das gilt für alle kulturpessimistischen Urteile – empirisch belegen will, ist mir ein Rätsel. Zum einen unterschätzt er meines Erachtens die Resistenz gegen Konsumangebote, zum anderen übersieht er, dass Konsum heute durchaus auch etwas mit Status zu tun hat. Hinzu tritt noch die kompensatorische Bedeutung von Konsum als Entschädigung für Unzufriedenheit im Beruf. Getragen wird dies alles von einem Selbstverständnis als Gemeinwesen, dass dem Erwerbserfolg große Bedeutung dabei zumisst, die Stellung des Einzelnen zu bestimmen. Solange ein Gemeinwesen auf den Erwerbserfolg derart großen Wert legt, ist der demonstrative Konsum also naheliegend."
Und diese Entgegnung, kann ich empirisch belegen! Ich meine nämlich über meine oben genannten "etlichen Bekannten" zu wissen, dass entgangene Konsumoptionen ihr allergeringstes "Problem" sind. Was sie alle wollen, ist eine Existenzgrundlage, um tätig bleiben (oder werden) zu können. Sie brauchen ein Einkommen, um weiter Arbeiten zu können. Arbeit haben sie schon!
Die Zeiten, in denen man gesellschaftsrelevante Arbeit über existenzsichernde und identitätsstiftende Erwerbsarbeit organisieren konnte, sind schon lange und für immer endgültig vorbei! Wer heute noch mit Lösungsvorschlägen wie "Beschäftigungsprogramme", "Mindestlohn" und "Gewerkschaften" ankommt, der -- sorry für die deutlichen Worte -- hat 'se nicht mehr alle.
So viel von meinen heutigen "wirren Gedanken". Falls jemand bis hierher durchgehalten hat, hier noch zwei Veranstaltungshinweise zu genau diesem Thema:
1. Das "Forum für Politische Bildung und Kultur im Kreis Osterholz" und die "Rosa-Luxemburg-Stiftung Niedersachsen" veranstalten im "Fidelio", Bahnhofstr. 30 in 27711 Osterholz-Scharmbeck am Dienstag, den 15. März 2011 um 19 Uhr einen "Vortrag und Diskussion mit Norbert Schepers" (der in diesem Blogeintrag damit nun schon zum vierten Mal vorkommt) über "Bedingungsloses Grundeinkommen - Chancen und Risiken".
2. Einen Tag vorher, am Montag, den 14. März 2011, findet ab 19:30 Uhr im "Kapovaz in der Alten Bürger in Bremerhaven" der 3. Stammtisch "Gespräche über das Bedingungslose Grundeinkommen" mit der Zielgruppe "Herzlich willkommen sind alle, die dagegen sind, noch nie was davon gehört haben, dafür sind, sich austauschen wollen, mehr wissen wollen,oder,oder......." statt.
Ich werde an beiden Veranstaltungen teilnehmen, stumm zuhören und anschließend nicht darüber berichten. ;-) Es ist also erforderlich, selbst vorbeizuschauen... Sieht man sich?
EDIT (2011-03-10, 10:15 Uhr): Die Veranstaltung Nr. 1 fällt aus. (Quelle hier und hier.)
1 comment
York said:
Was soll ich herauspicken? Nun, vielleicht dies: Es wurde die Hausaufgabe vorgeschlagen, dass sich jeder bis zum nächsten Treffen überlegt, was aus seiner Sicht die Voraussetzungen sind, die erfüllt sein müssen, damit ein Grundeinkommen eingeführt werden kann. Ich hatte dazu gesagt, dass ich diese Überlegungen nicht anstellen kann, weil die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, davon abhängen, um was für ein Grundeinkommen es sich denn handeln soll. Das müsste für ein solches Gedankenspiel vorab erstmal definiert werden, damit man eine Grundlage für seine Überlegungen hat.
Was für ein Grundeinkommen? Oder besser: Was für ein Gesamtpaket! Ein Grundeinkommen ist für mich nämlich ein ökonomisch ausgewogenes staatliches Gesamtpaket aus solchen steuernden Maßnahmen, die Geld bringen (meist auch "Steuern" genannt) und solchen steuernden Maßnahmen, die Geld kosten (Transferleistungen, Subventionen, Betreiben öffentlicher Infrastrukturen, usw.). Nur wenn ich das Gesamtpaket kenne, kann ich überlegen, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit es eingeführt werden kann. Die BGE-charakteristischen Eigenschaften der Transferleistungen alleine (keine Bedürftigkeitsprüfung, keine Bedarfsgemeinschaft, keine Sanktionen, hohe Hinzuverdienstgrenzen, usw.) machen noch kein Grundeinkommen aus, über das man konkret sprechen kann.
Ich will auch gar kein Grundeinkommen als Selbstzweck. Ich will bestimmte Veränderungen erreichen. Welche das sind? Es sind diese drei Dinge: 1. Das Gesamtpaket soll den Arbeitszwang der Menschen nicht verstärken, sondern abschwächen. Slogan: Mehr Arbeitnehmer-Motivation und -Rechte durch mehr Freiwilligkeit. 2. Das Gesamtpaket soll die Kapitalkonzentration in der Wirtschaft nicht beschleunigen, sondern ihr entgegenwirken. Slogan: Stabilisierung der Marktwirtschaft durch Mittelstands- und Konsum-fördernde Umverteilung von oben nach unten. 3. Das Gesamtpaket soll die Organisation der gesellschaftlich notwendigen Arbeiten nicht noch mehr über Erwerbsarbeit organisieren, sondern soll sie davon wegführen. Slogan: Stärkere Anerkennung der unbezahlten Tätigkeiten.
Theoretiker könnten jetzt mit Schubladen kommen: Das Straubhaar-Modell für ein Grundeinkommen wirkt auf keines dieser Ziele hin. Insbesondere verstärkt es den Arbeitszwang, verstößt also gegen Punkt 1. Das Götz-Werner-Modell wiederum hat vor allen Dingen den Punkt 2 als Problem: Es verstärkt die Kapitalkonzentration (weil keine Einkommens-, keine Unternehmens-, keine Wertschöpfungs-, keine Vermögens- und keine Kapitaltransfer-Steuer, sondern reine Endkonsumsteuerfinanzierung -- und dann auch noch substitutive Ausschüttung, also als Kombilohn an die Arbeitgeber statt der Arbeitnehmer gezahlt). Und das linke Modell adressiert Punkt 3 nicht. Es will die Gesellschaft (u.a. durch den geforderten Mindestlohn) nicht von der Organsiation der notwendigen Tätigkeiten durch Erwerbsarbeit emanzipieren. Ideen wie die von dem oben kritisierten Prof. Segbers mit einem Pflegegeld gehen in eine ähnliche Richtung. Sie koppeln noch mehr Arbeit an Einkommen anstatt sie davon zu trennen.
Auf dem Stammtisch waren wir aber nicht auf diesem theoretischen Level, sondern ich war stattdessen mit einem Beispiel gekommen: Ein(e) Unternehmer(in) stellt eine(n) Bäcker(in) ein und zwei Verkäufer(innen), mietet ein Haus, meldet ein Gewerbe an und verkauft fortan Brötchen. Sie/er hat damit entweder eine neue Idee, oder stellt sich dem Verdrängungswettbewerb mit anderen Unternehmer(inne)n durch sein/ihr besonderes Händchen für eine Kunden-nähere Konzeption der Brötchenfarbe. Und weil es zu anstrengend zu lesen wird, schreibe ich nicht geschlechtsneutral weiter: Alles ist super. Die Angestellten freuen sich über den Job, und der Unternehmer kriegt richtig viel Geld, Macht und Status -- und darf auch noch über alles entscheiden. Selbst die Kunden kriegen, was sie wollen, nämlich Brötchen in ihrer Lieblingsfarbe. Und auch die Preise regelt der Markt zum Vorteil aller.
Aber nun kommt ein zweiter Unternehmer, der sich fragt: Warum nur eine Bäckerei aufmachen, warum nicht gleich 100? Und das macht er dann auch, lässt die Brötchen zudem zentral von fünf Bäckern backen (spart also 95), packt Chemiecocktails rein, weil sie dann vom Material her billiger zu produzieren sind, und gibt seinen Verkäuferinnen nur einen halben Euro die Stunde. Zwangsarbeiter liefern die staatlichen Arbeitsagenturen ja genug. Den Kredit für die Investition kriegt er auch problemlos, weil die Gewinnaussichten entsprechend hoch sind. Die Banken können ja Geld selber schöpfen und als Kredite zum Zwecke eigener Profite ohne dahinterstehende Werte vergeben. Dieser zweite Unternehmer nutzt also die Möglichkeiten, die ihm politische Konstruktionen wie Hartz 4 und jenes "Fiatgeld" der Privatbanken bieten.
Was passiert? Na, der erste Unternehmer gibt auf. Genau diese Situation haben wir heute. Ich muss als Kunde vom zweiten Unternehmer als "Brötchen" bezeichneten elendigen (und vergifteten) Einheitsfraß von für ihr schieres Überleben ackernden Zwangsarbeiterinnen für überteuertes Geld kaufen und gelte, sobald ich Sonderwünsche habe, als unerwünschter "schwieriger Kunde". Und die Zwangsarbeiterinnen selber können sich die von ihnen verkauften Brötchen von ihrem Lohn noch nicht einmal leisten. Wie kann ein Grundeinkommen hier helfen?
Man beachte die Frage: Wie kann ein Grundeinkommen hier helfen? Ist das überhaupt dessen Anspruch? Eindeutig ja! Es soll die Sklaverei abschaffen, in dem es den Arbeitszwang stark reduziert. Wenn die Verkäuferin schon 1000 Euro monatlich so bekommt, dann wird sie nicht für einen halben weiteren Euro Brötchen verkaufen. Und die Bäcker in der fensterlosen Zentrale, die auch weiterhin gerne backen, werden jetzt aber auf reduzierte Arbeitszeiten und eine bessere Belüftung bestehen -- oder gehen. Der zweite Unternehmer muss das alles also auf die Preise umschlagen -- oder auf Gewinn verzichten. Dann aber kriegt er gar nicht erst die Kredite von seiner Bank. Also wählt er die Preiserhöhung -- was sich die Kunden (die ja auch 1000 Euro monatlich so bekommen) ja leisten können und deshalb mitmachen? Inflation? Kaufkraftentwertung, die das Grundeinkommen wieder auffrisst und die Konsumenten verarmt?
Oder kommt dann ein dritter Unternehmer und stellt einen Backautomaten in die Lidl-Filiale, in deren Eingängen die Bäckereien des zweiten Unternehmers liegen? Ganz ohne Personal und mit noch mehr Chemie drückt der die Brötchenpreise dann wieder runter -- bis der zweite Unternehmer aufgibt? Hat hier das Grundeinkommen also die Vernichtung des Mittelstands durch das Großkapital beschleunigt? Und den zweiten Unternehmer zu einem arbeitslosen Konsumenten auf dem entwerteten Grundeinkommens-Niveau degradiert. Obwohl es vielleicht ein Modell ist, das von der Konstruktion her von oben nach unten verteilt?
Nun, den besagten Backautomaten hat mein Lidl tatsächlich kürzlich eingeführt. Er wird den Lohndruck auf die Angestellten in der Bäckerei im Eingang erhöhen. Zugleich werden die Brötchenpreise noch schneller steigen -- was sie in den letzten Jahren schon in rasantem Tempo getan haben. Denn die Einkommensschere klafft zunehmend auseinander: Brötchen werden ein Luxusgut. Und all das ohne Einführung eines Grundeinkommens! Dieses würde, insbesondere wenn es ein substitutives Modell ist, diese Schere wieder schließen. Aber würde es nicht trotzdem den Mittelstand hinrichten, wie gerade geschildert? Muss es das nicht sogar tun, wenn doch das Ziel ist, alle menschliche (Produktion-)Arbeit durch Maschinen zu ersetzen, damit sie sich (dann ehrenamtlich) dem Dienstleistungsbereich widmen können? Alle mit dem gleichen Grundeinkommen von geringer Kaufkraft abgespeist -- regiert von einem ultrareichen Geldadel?
Wie muss ein Gesamtpaket sein, damit all das nicht passiert? Geht das überhaupt?
Und das war sie nun, die Anekdote, die ich vom 3. Stammtisch "Gespräche über das Bedingungslose Grundeinkommen" in Bremerhaven erzählen wollte. Wir haben über kein konkretes Modell gesprochen. Geschweige denn über ein volksökonomisch wirklich denkbares politisches Gesamtpaket. Wir haben es nicht einmal bis zur Diskussion der Voraussetzungen geschafft, die für eine Einführung irgendeines Modells erfüllt sein müssen. Wir haben es aber geschafft, ganz deutlich klarzustellen, dass eine Frage völlig offen ist:
Geht das überhaupt? Das mit dem Grundeinkommen?
Kurzum: Das war echt Butter bei die Fische. So wünsche ich mir Grundeinkommensveranstaltungen. Wenn Teilnehmer dabei sind, die gar nicht gegen ein Grundeinkommen argumentieren wollen. Die aber dennoch in der Lage sind, effektiv gegen einen vorschnellen Lösungswahn gegentreten zu können. Das Grundeinkommen will sehr gründlich durchdacht werden. Packen wir's an! Jeden zweiten Montag in Bremerhaven an o.g. Ort...