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Tag #799: Alte Bürger und das Grundeinkommen

Nein, um ältere Mitmenschen geht es hier nicht, sondern um die Alte Bürger (http://www.altebuerger.de), eine Straße in Bremerhaven, die die Fußgängerzone der Innenstadt mit jenem Supermarkt verbindet, der immer geöffnet hat. Der Supermarkt ist toll, denn er hat nicht nur auch nachts geöffnet, sondern führt auch italienischen Büffelmozzarella und unhomogenisierte Frischmilch für 89 Cent. Genau dies haben wir gestern jedenfalls gekauft, nachdem wir uns zuvor in einer Kneipe in der Alten Bürger zwei Stunden lang einen abgefroren haben. Ab 19 Uhr war dort nämlich der 1. Bremerhavener Stammtisch zum Thema Grundeinkommen. Und mit der Heizung hat es dort nicht so recht geklappt.

Muckefuck hieß der Laden früher, heute Kapovaz, und man steht schon mal davor und wundert sich, dass geschlossen ist -- bis man schließlich merkt, dass man vor dem falschen Laden steht, weil das Schild über dem Laden nebenan auch Kapovaz sagt. "Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit" sagt wiederum Google dazu, eine Sonderform der Teilzeitarbeit. Irgendwie passt es zum Thema Grundeinkommen. Wie auch das Frieren.

Ende des letzten Jahrtausends spielte sich in der Alten Bürger das gesamte Bremerhavener Nachtleben ab. Aber jetzt ist da nix mehr los. Heute gibt es in ganz Bremerhaven gar kein Nachtleben mehr. Eine Besprechung über Wiederbelegungskonzepte der Alten Bürger sollte eigentlich heute sein. Ist aber nun doch nicht. Verschoben. Auf später. Es wird sowieso nicht klappen. Würde es vielleicht besser werden, wenn alle Bremerhavener ein Grundeinkommen bekämen?

Diese Frage wurde so direkt nicht diskutiert, aber indirekt schon. Eine Gruppe sehr interessanter Menschen sprach zwanglos über Auswirkungen der Einführung eines Grundeinkommens -- und über Wege dahin. Und wegen dieses Erfolgs wird der Stammtisch auch fortgesetzt. Die Künstlerin Conny Wischhusen wird auch den 2. Termin wieder organisieren. Der Stammtisch war ihre Idee. Erschreckenderweise gab es so etwas in Bremerhaven noch nicht.

Ich könnte hier nun das eine oder andere berichten, was Spannendes zu hören war, auf diesem Stammtisch -- und dann noch wieder irgendeine Pointe mit der Alten Bürger bringen, usw., aber ich schweife lieber völlig ab und beantworte stattdessen eine Frage, die ich heute an einem älteren Blogeintrag zum Thema Grundeinkommen erhalten habe. Und zwar dort.

Denn dieser Blogeintrag ist jetzt bestimmt schon lang genug. ;-)

2 comments

York replied to :

Dass die Situation mit Grundeinkommen zu der in der DDR-Zeit ähnlich wäre, glaube ich eher nicht. Im Gegenteil. Es gab dort Erwerbsarbeitszwang mit existenzsichernden Löhnen und Vollbeschäftigung in planwirtschaftlich gesteuerten Kombinaten. Für wen also sollte man arbeiten? Und warum? Man musste aber so tun, als ob. Es war die totale Vernichtung aller Ressourcen von Umwelt bis Mensch. Ein System, dass nur in Form einer Diktatur seine unaufhaltsame Selbstzerstörung verzögern konnte.

In einer sozialen Marktwirtschaft mit staatlicher Infrastruktur und bedingungslosem Grundeinkommen wäre die Situation diametral entgegengesetzt. Arbeit hätte anders als in der DDR einen gesellschaftlichen Nutzen und eine individuelle Entlohnung. Es würde Ressourcen ohne Ende aktivieren und motivieren. Auch ideologisch wäre es dem Gedankengut der in der DDR Herrschenden entgegengesetzt. Siehe dazu den dritten und vierten Absatz in meinem Blogeintrag Berührungsängste.

Das Problem, das wir aktuell haben, ist dass es 1. die soziale Marktwirtschaft durch die Globalisierung nicht mehr gibt, dass 2. die gesamte staatliche Infrastruktur verscherbelt und damit zerstört wurde und wird, sowie dass 3. anstelle des bedingungslosen Grundeinkommens das Armutstreiber- und Lohndrückerkonstrukt Hartz IV steht, und 4. ein verfilztes Geflecht aus Politik, Wirtschaft und Medien die Strategie diffamieren->ausgrenzen->vernichten gegen so aus der immer elitärer werdenden Gesellschaft herausgedrängte Massen fährt. Siehe dazu meinen Blogeintrag „Mehr Geld vermehrt Armut“ -- das neue Unwort Sozialnotversicherung.

Was meine eine Botschaft immer wieder ist, ist dass ein Grundeinkommen keine automatisch allheilwirkende Lösung ist, sondern ein Instrument, mit dem man alles machen kann. Siehe dazu meinen Kommentar, auf den ich oben in diesem Blogeintrag im letzten Absatz mit den Worten "an einem älteren Blogeintrag" verwiesen hatte. Dort geht es auch um "Verlockung" und "Strafen" bzgl. Arbeitsmotivation, also um genau das, wonach Du fragtest. Meine andere Botschaft wiederum ist die, die Grundeinkommensdebatte von der um dessen Konsumsteuerfinanzierung zu trennen. Dazu schreibe ich oft auch anderswo. Wenn Dich Details zu der Thematik interessieren, siehe z.B. meinen Kommentar an dem Text "Vision (m)einer neuen Wirtschaftsordnung".

Die Thematik ist komplex. Aber zu Zuständen wie in der DDR würde es in keinem Fall kommen.
13 years ago ( translate )

York said:

Der Stammtisch ist übrigens jeden 2. Montag im Monat. Die öffentlichen Termine mit Grundeinkommen-Veranstaltungen in Bremen im Februar sind also u.a.:

08. Februar: Veranstaltung mit Prof. Franz Segbers: Vom protestantischen Arbeitsethos… (info)

11. Februar: Veranstaltung mit Matthias Dilthey: Das BGE als gerechte Alternative zur Umverteilung von unten nach oben (info)

14. Februar: Zweiter Stammtisch Grundeinkommen in Bremerhaven

15. Februar: Vortrag/Konzert/Podium/Ausstellung mit Götz Werner und Henning Scherf (info -- leider kein Permalink)
13 years ago ( translate )