Deutschland kann auf die Atomkraft verzichten und auf regenerative Energien setzen.

Ein Beitrag von Henrick Paulitz
- Fachreferent der IPPNW - Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs -
in der Mittelbayerischen Zeitung vom 16.04.2011

Nur wenige Wochen nach Beginn der Nuklearkatastrophe in Fukushima versuchen deutsche Leitmedien nun wieder einmal, mit Lügen und Desinformationskampagnen rationale Entscheidungen in der Energiepolitik zu verhindern. Besonders dreist ist die Lüge, die Strompreise seien wegen des Zubaus erneuerbarer Energien gestiegen. Fakt ist, dass mit der Einspeisung von bis zu 12 Gigawatt Solarstrom (Photovoltaik) zur Mittagszeit in Deutschland die Einspeisung von teurem Spitzenlaststrom aus konventionellen Kraftwerken vermieden wird. Die dadurch erzielten, massiven Kostensenkungen werden von den Stromkonzernen aber auf rechtswidrige Weise nicht an die Kunden weitergegeben. Laut Bundesnetzagentur waren die Strompreiserhöhungen nicht gerechtfertigt.

Die Stromkonzerne verteuern dennoch beständig die Preise allein deswegen, um immer höhere Renditen zu erzielen. Die Preise sind - mit Billigung der Politik - von den realen Kosten völlig abgekoppelt. So ist es möglich, dass die E.ON Kernkraft GmbH im Jahr 2006 eine Eigenkapitalrendite von 280 Prozent erzielt hat. Dieses System der Abzocke muss ebenso beendet werden wie der Import teurer Energierohstoffe und das Führen teurer Energiekriege auf Kosten der Steuerzahler.

Als Alternative brauchen wir aber nicht in erster Linie Offshore-Windparks, wie jetzt ständig behauptet wird. Während in der Nord- und Ostsee in den kommenden Jahren nur wenige Gigawatt Windleistung zugebaut werden können, gibt es an Land in Deutschland längst Planungen für weit mehr als 60 Gigawatt. Dass die Bundesregierung gemeinsam mit SPD und Grünen dennoch insbesondere die Offshore-Windenergie und den Bau von Stromtrassen von Nord- nach Süddeutschland propagieren, liegt nur daran, dass sie den Energiekonzernen weitere Milliarden zuschanzen und deren Marktmacht absichern wollen: Mit deutlich höheren Vergütungssätzen für den Offshore-Windstrom, mit kostenlosen Netzanschlüssen, mit Staatsbürgschaften und mit Milliarden-Subventionen.

Zu den penetranten Energielügen zählt auch die Behauptung, wegen der Stilllegung von Atomkraftwerken müsse Atomstrom aus dem Ausland importiert werden. Wegen gigantischer Überkapazitäten kann Deutschland allein mit seinen konventionellen Kraftwerken und mit den Wasserkraftwerken den Atomstrom vollständig ersetzen - selbst wenn man die Stromerzeugung aus Windenergie, Photovoltaik und Biomasse mit einer Spitzenleistung von heute schon 38 Gigawatt noch nicht einmal anteilig berücksichtigt. Deutschland ist seit Jahren Netto-Stromexporteur. Dass dennoch seit langer Zeit Atomstrom importiert wird, liegt u.a. daran, dass die Chemische Industrie auf dem Import französischen Atomstroms zu Dumpingpreisen besteht.

Wir müssen die deutschen Atomkraftwerke aus Sicherheitsgründen und wegen der Atommüll-Produktion jetzt endgültig stilllegen. Mit einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien "in Bürgerhand" im Verbund mit dezentralen Energiespeichern lassen sich auch die konventionellen Kraftwerke in nur 15 bis 20 Jahren vollständig ersetzen. Wirtschaftlich profitieren davon die Bürgerinnen und Bürger, Kommunen, das Handwerk und mittelständige Unternehmen.