„Separatismus basiert auf Sehnsucht nach besseren Zeiten, ob es diese nun gab oder nicht. Der Gedanke ist verführerisch, die aktuellen Probleme könnten dadurch gelöst werden, dass man die Uhren bis zu einer Zeit zurückdreht, wo die Probleme noch nicht existierten.

Mit seinem im Grunde nostalgischen Wesen verführt der Rechtspopulismus die Menschen. Er schürt die Unzufriedenheit, schafft, erregt und vergrößert Ängste und präsentiert dann die idyllische und idealisierte Vergangenheit als Lösung. Lasst uns die Grenzen schließen, die liebe, alte Währung zurückholen, die Kirchenglocken läuten, die Moscheen schließen, die Wehrpflicht wieder einführen, die Nationalhymne singen und die guten Sitten vom Dachstuhl holen, abstauben und polieren, bis sie glänzen wie ein helles Leuchtzeichen in dunkler Nacht.

Es ist ein böses Omen, dass solche gestrigen Forderungen in ganz Europa so viel Widerhall finden. Wenn ein signifikanter und stets wachsender Teil der Bevölkerung bereit ist zu glauben, dass früher alles besser war, dann darf man unseren Kontinent zu Recht als müde und alt bezeichnen, als hohläugigen Mummelgreis, der von der Zukunft nichts mehr erwartet und nur den Zeiten nachtrauert, als die Winter noch richtige Winter und die Sommer endlos waren.“

(Ilja Leonard Pfeijffer, Grand Hotel Europa, Verlag Piper, 2020, iljapfeijffer.com/de/werke/prosa/grand-hotel-europa )

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