Langer Abschied
Album *andererseits* Nr. 12 (PiPs)
Zentralgebäude der Universität UdelaR, Montevideo, Uruguay
Jüngst war ich bei dieser Gedenkfeier. Oder war es eine Demonstration? Eine Totenwache?
In der Eingangshalle der Staatlichen Universität von Uruguay war ein winziger Holzsarg mit wenigen Gebeinen aufgebahrt. Und draußen standen schweigend hunderte von Menschen. Andere formten eine Menschenkette, die sich bedächtig dem Sarg näherte. Hinterbliebene wurden umarmt, Blumenkränze niedergelegt.
Wir ehrten einen Toten, der 47 Jahre zuvor, am 14. Juni 1977, von seinen Mördern der damaligen Militärdiktatur bestialisch zu Tode gefoltert und klammheimlich hinter einer Kaserne verscharrt wurde, wie viele andere Widerstandskämpfer. Die Angehörigen erfuhren immer nur, sie oder er seien "verschwunden".
Heute nennt man wieder seinen Namen: Luis Arigón - er wurde 51 Jahre alt - war Buchhänder, Übersetzer, und als Gewerkschafter und Kommunist der Militärjunta im Wege. Nach endlosen Nachforschungen und einem listenreichen Manöver konnten am 30. Juli 2024 Skelettteile geborgen werden, die am 24. September mit einer DNA-Analyse als sterbliche Überreste von Luis Arigón identifiziert wurden. Und am 2. Oktober durften die Angehörigen mit hunderten von Menschen endlich Abschied nehmen von einem Widersacher dieses unmenschlichen Regimes.
Andererseits: Seine Folterer und Mörder, die bis heute unbehelligt blieben, haben all' die Jahre genau gewusst, was mit dem "Verschwundenen" wirklich passierte. Ihre Mauer des Schweigens ist ungebrochen, die Archive des Militärs blieben mit wenigen Ausnahmen verschlossen. Bevor die "Milicos" ihren Bankrott erklärten, und das Land 1985 zur Demokratie zurückkehren konnte, hatten sie der Bevölkerung mit einer Volksabstimmung eine Generalamnestie für ihre Verbrechen abgepresst, die bis heute Bestand hat. Obwohl Verbrechen gegen die Menschlichkeit eigentlich niemals verjähren.
So zieht sich seit nunmehr 50 Jahren ein Riss durch die Gesellschaft: Die Folteropfer blieben zumeist ungesühnt, die Täter verzehren ihre Pensionen. In manchen Familien müssen es Opfer und Täter tagtäglich miteinander aushalten. Ruhe ist nicht eingekehrt, Gerechtigkeit lässt warten.
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Mein Album *andererseits*
Licht und Schatten, Vorher / Nachher, Arm & Reich,
Vorder- und Rückseite, Alt + Neu, vornehm vs. ordinär -
Jedes Ding hat (irgendwie) zwei Seiten.
Darum geht es in diesem Album mit Picture-in-Picture-Montagen (PiP)
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Taken on Wednesday October 2, 2024
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Posted on Wednesday October 9, 2024
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2 comments
Ulrich John said:
von Beate und hab eine gute Restwoche !
Albrecht Girle replied to Ulrich John:
und einen lieben Gruß zurück!
Die Rundmail mit den Bildern, die du (auch) gekriegt hast,
soll u.a. dazu dienen, Ipernity bei "meinen Leuten"
ein wenig bekannter zu machen. Und siehe da:
Ich habe schon zwei diesbezügliche Rückfragen bekommen.