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Tag #1139: Datenschutz bei der Facebook-Timeline

Bei Facebook habe ich heute die neue Profilansicht freigeschaltet, also das neue Aussehen der Timeline, im Deutschen wohl Chronik genannt. Viele haben die schon lange, aber bisher musste man sich mittels einer Pseudo-App als Entwickler tarnen, um diese Funktion zu bekommen. Inzwischen ist das aber nicht mehr so. Man kann die Timeline jetzt einfach so unter https://www.facebook.com/about/timeline aktivieren. Sie schaltet sich dann erst nach 7 Tagen für die anderen scharf (vorher kann man sie nur selber sehen). Allerdings kann man darin "publish now" drücken. Dann ist sie sofort für alle zu sehen. Das habe ich gemacht.

Wenn man auch noch ein neues Hintergrundbild hinzufügt (es muss 851×315 Pixel groß sein), ist die neue Optik auch ganz nett. Ich habe ein Bild genommen, das ich 2009 im Stelenfeld-Mahnmal in Berlin auf der Demonstration "Freiheit statt Angst" geschossen hatte. Übrigens keine Demonstration pro Datenschutz, sondern eine Demonstration pro Transparenz. Das durch Überwachung erhobene Wissen wird ja nur dadurch zur unterdrückenden Macht, dass es nicht allen zur Verfügung steht. Erhebt der Staat Daten, die er dann nicht veröffentlicht, wird er selbst zur Quelle des Terrors. Das Erfinden unbelegter anderer Gefahren, ist ein einfältiger Versuch, davon abzulenken. Ebenso wird gerne von der Waffe Datenschutz abgelenkt, mit der effektiv nur verhindert wird, dass die Bürger untereinander aufklärende Daten austauschen können. Nicht Wissen ist Macht, sondern die Fähigkeit, die Ausbreitung des Wissens zu steuern. Dafür ist Datenschutz ein Instrument. Und Transparenz ein Instrument dagegen.

Das Bild mit diesem Entstehungshintergrund passt ganz gut als Hintergrundbild der neuen Facebook-Timeline, weil es diesbezüglich aktuell mal wieder lautes Geschrei nach mehr Datenschutz bei Facebook gibt. Eine gerade von Politikern bewusst geschürte Pseudodebatte, die die Aufmerksamkeit vom eigentlichen Problem ablenken soll. Nämlich von dem, dass Plattformen wie Facebook der feuchte Traum aller Zensoren und Meinungsdiktatoren schlechthin sind. Ein Unterdrückungsstaat, wie er sich in Deutschland im fortgeschrittenen Aufbau befindet, braucht die Möglichkeiten der Filterung und der Ausbreitungshemmnisse von Daten für seine "Sendezeiten im Internet" und sein "Depublizieren" und sein "Digitales Vergessen" und für seine sonstigen ähnlich absurden Ambitionen. Deswegen will der Staat einen Fuß in die Tür der zentralistisch geführten sozialen Netze bekommen.

Und die Netze machen in Teilen notgedrungen mit. So wurde bei Google Streetview beispielsweise das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mittels "Datenschutz" ausgehebelt, da eine öffentliche Fassadenansicht verpixelt wird, sobald nur ein einziger Anwohner das fordert. Das Recht aller anderen spielt dann keine Rolle mehr. So war das nicht gemeint vom Verfassungsgericht! Eher so: "control over personal information is control over an aspect of the identity one projects to the world, and the right to privacy is the freedom from unreasonable constraints on the construction of one's own identity" (Quelle: MIT Press, 1997, http://polaris.gseis.ucla.edu/pagre/landscape.html) Demnach ginge hier das Recht der anderen Anwohner auf Darstellung in Google Streetview vor.

Aber die Netze machen in Teilen auch freiwillig mit. Sie bewerben sich mit ihren Möglichkeiten, "Kreise" (Google+) oder "Listen" (Facebook) zu pflegen, als fortschrittlich in Sachen Datenschutz. Dabei ist das völliger Unsinn. Erstens lassen sich die verschiedenen Kreise im Alltag überhaupt gar nicht trennen, da personelle Überschneidungen (und vor allen Dingen Schwankungen) der Normalfall und nicht der Ausnahmefall sind. Zweitens läßt sich die weitere Verbreitung von Informationen, die man initial in irgendwelche Kreise publiziert hat, überhaupt gar nicht steuern, da einer einmal erzeugten Information keine Verbreitungsregeln mitgegeben werden können (die "Lock this post"-Option bei Google+ kann man da eher als Scherz abtun). Und drittens stehen alle diese "geschützten" Daten ja zur Auswertung dem Netzbetreiber vollumfänglich zur Verfügung. Dank "Datenschutz" aber eben NUR dem Netzbetreiber. Er vermehrt durch "Kreise" und "Listen" Geld und Macht -- mit Intransparenz.

Erstrebenswert wären also soziale Netze, in denen es Datenschutz-Einstellungen gar nicht gibt, aber dafür alle eingespeisten Informationen über gute APIs allen Nutzern gleich gut zur Auswertung zur Verfügung stehen. Google+ und Facebook gehen den umgekehrten Weg. Zum einen müssen sie, weil sie von "Datenschutz"-Gewalttätern aus der Politik dazu gezwungen werden (und Deutschland ist hier ganz vorne in der Welt!). Zum anderen wollen sie, weil sie die Intransparenz durch Handel mit den Informationen zu Geld machen können. Facebook schottet dazu (zumindest Benutzerseiten) komplett vom Web ab. Und Google+ hat nicht aus Versehen noch nahezu keine API.

Nun denn, ich habe wie gesagt also heute meine Facebook-Timeline aktiv geschaltet. Vorher habe ich im neuen "Activity Log" noch einmal sichergestellt, dass alle Einträge aus der Vergangenheit mit der maximalen Sichtbarkeit "Public" und der Einstellung "Allowed on Timeline" versehen sind. (Richtig öffentlich ist das Ganze leider trotzdem nicht, da ja nur für angemeldete Facebook-User zugänglich.) Was ich an der Timeline großartig finde, ist das Bewusstsein, dass sie bei den Facebook-Usern erzwingt: Jede noch so flüchtige Information, die Du heute noch so eingeschränkten Kreisen noch so nebenbei zur Verfügung stellst, wird ab morgen oder ab übermorgen und dann aber für immer Leuten geradezu aufgedrängt werden, die Du heute noch nicht einmal kennst. Damit kann das Fazit nur sein: Mach alles heute schon öffentlich -- oder mach es überhaupt nicht.

Der unterste Eintrag in der Timeline ist bei mir "Born" (die Information, dass ich geboren bin). Den kann man löschen.

Denkste. Informationen kann man nicht löschen. Und man kann sie nicht schützen. Man kann nur lernen, damit umzugehen: Filtersouveränität statt Datenschutz. Netzneutralität statt Kontrolle.

Das Protestgeschrei, das die Facebook-Timeline auslöst, ist das Geschrei alter dummer Menschen. Und dafür liebe ich sie!