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The Infinite Improbability Drive (1) - Part One
Legenden haben meist einen wahren Kern, der fantastisch ausgeschmückt wird. Und - so denke ich - braucht eine richtige Legende auch einen kleinen Mythos, der ihr voran gestellt wird. Mythen sind etwas schönes, sofern sie nicht missbraucht werden - wir lieben schließlich Geschichten. Und wie auch Legenden - so denke ich weiter - haben Mythen auch einen wahren Kern, sie „verschönern“ ihn, weil sie in einer Kürze einen Prozess beschreiben oder erzählen, der so genau vielleicht nie stattgefunden hat. Aber darauf kommt es letztendlich nicht an. Wie schon geschrieben, wir lieben Geschichten und wenn sie fantastisch sind und auch nur ein Hauch einer Möglichkeit besteht, dass sie war sind, werden sie umso interessanter.
Aber eigentlich sind so manche Legenden gar keine Legenden, sondern allenfalls Sagen. Und Legenden und Sagen ähneln sich auch ziemlich, außer in einem Punkt: Legenden sind religiös motiviert und finden richtigerweise im religiösen Umfeld statt. Heiligenlegenden sind da im Bezug auf das christliche Mittelalter ein gutes Beispiel. Somit könnten auch die Germanen, die Griechen und die Römer ihre Legenden haben, aber da nennt man es wieder Sagen, weil ja die heidnische Welt keine Legenden hervorbringen kann.

Heute aber kann auch eine Person zur Legende werden, weit jeglicher Religion. Diego Armando Maradona Franco (1960 - 2020), kurz Diego Maradona, ist so ein Beispiel. Er zählt heute zu den Legenden des Weltfußballs auch wenn er wohl nichts mit einem Heiligen im religiösen Sinne gemein hat. Zwar vervollständigt man dann und wann seinen Namen mit "die Hand Gottes", aber das hat eine ganz andere Ursache und ist somit eine andere Geschichte. Hier soll es ja auch nicht um Fußball gehen. Und nicht um Musik, in deren Bereich man schnell das Gefühl bekommen, dass hier Legenden wie Pilze aus dem Boden schießen. Ich denke, das heute etwas zur Legende wird, liegt daran, dass sehr viele von etwas "wissen", obwohl sie sich eigentlich gar nicht dafür interessieren. Ich weiß also wer Diego Maradonna ist, obwohl ich soviel von Fußball verstehe, wie vermutlich eine Kuh von einer Melkmaschine. Und sagt Euch der Name Edison Arantes do Nascimento etwas? Nein? Nun, zur Legende wurde er unter dem Namen Pelé.

Zur Legende wurden aber auch Dinge wie Autos. Zunächst treten manche Autos in den Bereich der Kultautos ein, aus dessen Pool sich dann und wann Legenden kristalisieren. Kultautos sind dann - ganz subjektiv gesehen - z.B. der Renault 4, die BMW Isetta, oder die DS von Citroën. Aber sind sie denn auch zur Legende geworden? Es liegt wahrscheinlich auch an der Betrachtungsweise, ob ein Auto legendär geworen ist. Ein gutes Beispiel erscheint mir dabei der DeLorean DMC-12 zu sein, den man spätestens seit der Triologie "Zurück in die Zukunft" aus der 80er kennt. Aber ehrlich, hat den schon mal irgendjemand auf den Straßen dieser Welt fahren sehen? In den U.S.A. vielleicht, im Rest der Welt wohl etwas seltener. Aber es gibt noch andere Kultautos, die man wohl nur von der Kinoleinwand kennt: das Ectomobil, das Batmobil oder der tauchfähige Lotus Esprit S1. Vielleicht muss jetzt der ein oder andere kurz überlegen bevor der Aaah-Effekt eintritt, was wahrscheinlich schneller geht, wenn man die Bilder vor Augen hat. Geht es nun um wahre Legenden, dann fallen mir ganz spontan u.a. nur der VW "Bulli", der VW "Käfer", die Citroën 2CV, der (ursprüngliche) Mini Cooper oder der Fiat Nuova 500. Diese Liste ist angreifbar, erfährt sicher aber auch Zustimmung oder sogar Ergänzungen. Eine reine Bauchgefühl-Liste meinerseits. "Käfer" hat es in meinem Leben vier gegeben, "Bullis" immerhin drei (T1 und T2) und eine 2CV. Alle gibt es nicht mehr und nur wenige sind als eigene Marke in größere Automobilkonzerne eingegangen bzw. aufgegangen. Und darunter sind auch ganz lengendäre Offroader.


„¼ ton 4×4“


1940 schrieb das US-Verteidigungsministerium den Bau eines leichten 4x4 Aufklärungsfahrzeug aus. Die Vorgaben waren so eng gestrickt, dass sich letztendlich nur die Firmen American Bantam Car Manufacturing Company und der Hersteller Willys Overland ins Rennen gingen. Schließlich entstand ein Mix aus Bantam und Willys und mündete 1941 in einem Vertrag zwischen Willys Overlands und den amerikanischen Streitkräften. Zwar war Willys Overland nicht der Erfinder eines 4x4 Fahrzeugs, allerdings ging 1941 mit dem Willys MB das erste Mal ein Offroader in die Massenproduktion. Gemeinsam mit Ford (um die Produktionszahlen zu erhöhen), die den nahezu baugleichen Ford GPW bauten, wurden so bis 1945 645.000 Einheiten produziert. Wann immer US-amerikanische Soldaten vordrangen, war der „Jeep“ dabei und wurde so zum Synonym (wie auch Coca Cola) der Befreiung und des American Lifestyle, zumal auch verbündete Streitkräfte den Jeep nutzten. Und ab 1944 brachte Willys zusätzlich den Willys Jeep CJ auf den Markt. CJ steht für Civilian Jeep und somit begann die Reise eines Offroaders und der Begriff Jeep wird heute noch teilweise als allgemeine Bezeichnung für Offroader benutzt, allerdings mehr von denen, die mit Offroadern nie etwas zu tun haben.


Bantam Jeep Prototype, 1940
(National Museum of American History & Smithsonian Institution Archiv)

„HUE 166“

Auch der britische Ingenieur Maurice Wilks nutzte auf seiner Farm in Anglesey einen Jeep. Die nach dem Krieg verbliebenen Jeeps waren bei den britischen Landwirten sehr beliebt, aber die Anzahl der Jeeps auf der Insel verringerte sich stetig. Maurice Wilks erkannte die Lücke und entwickelte das erste britischen 4x4 Fahrzeug - zunächst noch auf einem Jeep-Fahrgestell. Und so - abgekürzt - stand 1948 auf der Motorshow in Amsterdam der erste Land Rover - mit dem heute von Land Rover Fans verehrten Kennzeichen HUE 166. Auch aufgrund der hohen Exportfähigkeit begann damit ein Siegeszug rund um den Globus. Aus dem Allzweckfahrzeug für die Landwirtschaft wurde ein Fahrzeug, von dem nicht nur die Queen „very amused“ war, sondern das sich auch als zuverlässiges Expeditionsfahrzeug etablierte. Neben dem Gattungsbegriff Jeep etablierte sich so auch der Name Land Rover. Auf Serie I folgte II und III und letztendlich der Land Rover Defender. Dabei wurden diese Namenszusätze zur Modelunterscheidung erst sehr viel später hinzugefügt, zunächst blieb es erstmal beim Namen Land Rover.

Land Rover 1948, später als Series I bezeichnet

„Buschtaxi“ (
im englischen Sprachraum "Troopy")

Als wenn man sich im Busch ein Taxi rufen könnte... Oft wird der Begriff genutzt, wenn es um Vehikel geht, die einfach Menschen von A nach B bringen und die dafür ein Entgelt bezahlen. So ein Fahrzeug in den entlegensten Gegenden dieser Erde muss dann auch robust, geländegängig und bestenfalls ein 4x4 sein. Aber „das Buschtaxi“ ist ein Begriff oder Spitzname, der in der Szene wohl nur für ein Fahrzeug steht, dem Toyota Landcruiser J45 und wenn man so will auch noch für den J75 und J78. Niemals würde man einen Land Rover Defender als Buschtaxi bezeichnen.

Es begann damals - wie beim Jeep - in der 1940er Jahren. Den japanischen Streitkräften fiel auf den Philippinen ein Bantam Mk II in die Hände und beauftragten Toyota damit, einen ähnlichen Wagen zu bauen. Daraus wurde der AK10, der aber im Gegensatz zum Willys Jeep nie auf dem Schlachtfeld erschien. Gleichwohl kann man wie bei Land Rover der allerersten Generation (Ur-Landrover) teilweise von einer Art Reverse Engineering sprechen, an dessen Ursprung wohl der Bantam MK II bzw. der Willys Jeep steht. In diesen Fällen von Reverse Engineering bedeutet es, dass am Anfang in Teilen zwar eine Kopie entstand, gleichzeitig aber ein eigener Entwicklungsweg beschritten wurde, der sich immer weiter von der ursprünglichen Kopie entfernte, bis etwas ganz neues entstanden ist.

Nach dem Krieg nahm Toyota an einer Ausschreibung für einen Geländewagen der japanischen Regierung teil und entwickelte den BJ, verlor diese allerdings. Dadurch war Toyota nicht mehr an die strengen militärischen Vorgaben gebunden. und konnte einen eigenen Weg einschlagen. 1954 wurde dann der BJ in Land Cruiser umbenannt und begann seinen Weg in die Welt - und das mit dem kleinen J40, dem mittleren J43 / 45 und dem langen J 45 / 47 in den Varianten „Buschtaxi“ und Pick Up. Die Produktion lief immerhin von 1969 bis 1984, als Toyota Bandeirante in Brasilien sogar bis 2001.

Toyota Land Cruiser J40


"Usiache mbachao kwa msala upitao!" (2)

Vor einiger Zeit ist mir beim Durchstreifen einer größeren Buchhandlung ein Buch in die Hände gefallen, das den vielversprechenden Titel „First Overland. Als Erste im Land Rover 18.000 Meilen von London nach Singapur“. Das Buch ist nicht neu, es erschien bereits in den 50er Jahren, doch erschien es erst jetzt in einer deutschsprachigen Ausgabe. Kurz zum Inhalt: „Sechs englische Studenten und eine verrückte Idee: die erste Fahrt über Land bis nach Singapur. Unbekümmert, mit Humor und gesundem Optimismus, der charakteristisch für die Reise wird, legt das Sextett los: Sie pumpen die BBC um Filme an. Überreden Rover, zwei nigelnagelneue Land Rover zu spendieren. Und einen Verleger, Geld vorzustrecken ... 1955 starten sie, durchqueren Europa, die Türkei, Syrien, Irak, Afghanistan, Pakistan; überwinden Krisengebiete und Wüsten, den Dschungel von Birma, die Berge von Darjeeling und den Ganges auf klapprigen Holzbooten. Sieben Monate und 18.000 Meilen später erreichen sie glücklich ihr Ziel.“ (3) „Mit zwei nigelnagenneuen Land Rovern...“ - aber man darf es nicht überlesen, es war 1955. Z.B. hatte diese „nur“ ein unsychronisiertes Getriebe, d.h. das beim Schalten die Kupplung zweimal getreten werden muss und beim Herunterschalten dazwischen auch noch Gas gegebene werden musste. Wer in seiner Militärzeit mit LKW 5to MAN (MAN 630) zutun hatte, weiß was ich meine. Immerhin liefen die noch bis in den 90er bei der Bundeswehr und waren auch als „Allesfresser“ bekannt, weil sie zur Not bei Dieselknappheit auch mit einem Benzin-Diesel-Gemisch oder reinen Motorölen betrieben werden konnten. Ein Gerücht sagte, dass es auch mit Speiseöl funktionierte, verifizieren kann ich das aber nicht.

Nun hat natürlich und notwendigerweise die Automobilindustrie neue Dinge entwickelt und in ihre Fahrzeuge gebaut. Viele Neuentwicklungen dienten und dienen der Fahrsicherheit, auch im Bezug auf Umweltverträglichkeit und Einsparung von Kraftstoffen wurde viel getan. Alles in allem möchte ich nicht aus nostagischen Gründen mit einem Land Rover aus dem Jahr 1955 von London nach Singapur fahren. Übrigens ist genau das 2019 geschehen (4) - zumindest umgekehrt und aus verständlichen sicherheitspolitischen Gründen teilweise auf etwas anderen Routen - mit einem der Originalfahrzeugen, der heute 67 Jahre alt noch mit der originalen Technik fahrbar erhalten ist. Und dieser konnte sogar repariert werden, als er mitten in Turkmenistan ein Hinterrad samt Bremse und Halbwelle verlor. Diese Zeiten sind lange vorbei. Die Autos haben mehr Technik und vor allen Elektronik bekommen. Beim Land Rover von 1955 war nur die Benzinpumpe elektrisch betrieben. Und eines ist klar, je komplizierter es wird, desto schwieriger wird eine Reparatur, auch aufgrund der verständlichen und durchaus notwendigen Entwicklungen, die mittlerweile Standard in den Fahrzeugen sind.

Es gibt allerdings auch Entwicklungen und Erfindungen, die letztendlich niemand wirklich braucht, die ausschließlich der Bequemlichkeit dienen, dadurch das Fahrzeug teurer macht und die Umweltunverträglichkeit noch weiter befeuert. Wenn ich also einen Off-Roader wirklich dafür nutze, wofür er gebaut wurde, dann sollte ich mich damit auch beschäftigen und lernen. Desweiteren sollten Autos gebaut werden, die dafür geschaffen sind und die nutze ich dann weder um mich zu 90 % auf dem Weg zur Arbeit durch den verstopften Berufsverkehr zu quälen und zu 10 % bei unnützen "just-for-fun" Fahrten durch Wald, Feld, Wiesen und womöglich Naturschutzgebieten.

Und da kommt nun ein "Defender" daher, bei dem ich "nur" das richtige Knöpfchen drücken muss, um Off-Road zu "bestehen". Nennen wir ihn doch so, wie er beworben wird: "Suvender". Aber seien wir ehrlich, auch das beste Textverarbeitungsprogramm nützt nichts, wenn ich die Rechtschreibung nicht beherrsche. Da wundert es mich auch nicht mehr, wenn mir jemand versichern will, dass der Umgang mit Karten (und Kompass) heute nicht mehr nötig ist, weil es ja Navigationssysteme gibt.

Und in der Fotografie kauft man sich die "beste" und "teuerste" Kamera und stellt sie auf "Vollautomatisch" ein oder fotografiert mit seinem Smart- oder iPhone und hält sich für den weltbesten Fotografen - na ja, bei hundert geknipsten Bilder ist sicher auch das ein oder andere brauchbare dabei.


  1. Der unendliche Unwahrscheinlichkeitsantrieb (Douglas Adams -The Hitchhiker's Guide to the Galaxy)
  2. Swahili: „Verlass nicht Eigenes wegen vergänglicher bzw. vorübergehender Angelegenheiten.“ oder „Man sollte nicht auf Altbewährtes wegen vorübergehender Versuchungen bzw. Angelegenheiten verzichten.“
  3. Buchbeschreibung Süddeutsche Zeitung Shop
  4. www.lastoverland.com/ und youtu.be/9E80jyu_7Lk


2 comments

LotharW said:

Toll, danke!
18 months ago ( translate )

Bergfex said:

. . . und dann ist man immer wieder fasziniert, wenn man neben dem Smartphone auch die "große" Kamera dabei hatte, welch großartige Auflösung und welchen Dynamikumfang man in den RAW-Aufnahmen vorfindet.
In Seilschaften auf Hochtour hat man damit aber definitiv keine Chance. Die Leute wollen weiter, und nicht warten, bis der Hobbyfotograf endlich sein Bild im Kasten hat.
16 months ago ( translate )