1354 schenkte Kaiser Karl IV. den Bürgern von Neustadt Wald. Nach einem Flächentausch (mit Tauschaufgabe) im frühen 19. Jhd. sind es jetzt rund 170 ha Waldlfäche.
Anders als mit derartigen Schenkiungen meist verfahren wurde, ging die Waldfläche nicht im Kommunalwald der Stadt Neustadt (den gibt es zusätzlich dazu) auf, sondern verblieb in der Bewirtschaftung der Rechtler-Gemeinschaft. Es gibt insgesamt 144 Holzrechte, die auf bestimmten (alten) Häusern der Stadt liegen. Der Wald wird bewirtschaftet, früher (noch zu Zeiten meiner Großeltern) wurde jährlich das Holz (Bau- und Brennholz) auf die Nutzungsberechtigten verteilt. Mittlerweile wird das Holz vermarktet und der Erlös an die Rechtler ausgeschüttet.
Seit rund 10 Jahren habe ich die Ehre, als Förster gemeinsam mit der gewählten Vorstandschaft diesen Wald zu bewirtschaften.
Derzeit beschäftigen wir uns vor allem damit, den Wald "umzubauen" - also die Reinbestände aus Fichte oder Kiefer (und auch Mischbestände dieser beiden Baumarten ;-)) in Bestände aus mehreren Baumarten, die hoffentlich mit der Erwärmung und schlechteren Wasserversorgung zurecht kommen, umzuwandeln. Das Aussehen der Wälder wird sich gewaltig ändern - wieder einmal. Aus alten Dokumenten, die noch vorliegen, geht hervor, dass dieser Wald früher schon anders aussah und durch die Tätigkeit der Bewirtschafter sich immer änderte.
Seit ich für diesen Wald verantwortlich bin, haben wir Tanne, Buche, Douglasie, Bergahorn, Esche, Esskastanie, Elsbeere, Speierling, Lärche, Bergulme, Vogelkirsche und Schwarzerle gepflanzt. Daneben durch Bodenverwundung und Zäunung die natürliche "Ansamung" (terminus technicus: Naturverjüngung) von Kiefer, Buche und Lärche eingeleitet. Eher nebenbei kam in den gezäunten Flächen auch die Eiche an. Allerdings sind uns in den Jahren 2018, 2019 und 2022 viele der gepflanzten oder natürlich angekommenen Bäume vertrocknet, mehr als die Hälfte.
Nachdem wir derzeit nachts zweistellige Minusgrade haben und auch tags die Temperaturen unter 0 ° bleiben und alle Wettermodelle bis Sonntag Dauerfrost vorhersagen, habe ich heute den Harvester organisiert, um bei Frost auf wechselfeuchtem Boden den vorhandenen Bestand kräftig aufzulichten und darunter auf rund 1,2 ha Eiche, Hainbuche und Linde zu pflanzen. Dieser vorhandene Kiefernbestand ist über 170 Jahre alt.
In einer Zeit, in der sich seit 1354 25 Generationen Förster auf der Fläche gespielt haben, steht gerade mal die vierte Baumgeneration seit dem ollen Karl. Der IV, nicht der Hartwig ;-)
Heute bin ich gefragt worden, warum man das überhaupt macht - der Mensch ist eh in ein paar Jahren tot, warum macht er sich soviel Stress mit Angelegenheiten, von denen er nie wissen wird, ob es richtig war und ob das, wa er sich denkt, von den Nächsten weiter verfolgt wird.
Diese Frage hat mich tatsächlich "auf dem linken Fuß" erwischt - darüber habe ich noch nie nachgedacht. Bislang war es nur ein unausgesprochenes (und auch ungedachtes) Bewusstsein, dass eben getan werden muss, was zu tun ist, damit es weitergeht....... Eine derart grundlegende Kritik am eigenen Handeln kam mir noch nie in den Sinn......
Eine Antwort kann ich schon mal frei nach Kant geben: Was wäre, wenn es jeder so machte? Was wäre, wenn meine vielen Vorgänger auch in der Folge von Zweifeln am eigenen Handeln nichts getan hätten? Genau - dann gäbe es den Wald vermutlich nicht mehr. In diesem Sinne tritt das Individuum hinter die Idee zurück - es geht gar nicht darum, ob ich Zweifel an der Zukunft habe. Es geht darum, weiter zu machen, das, was über die Generationen zufällig zu mir kam, bestmöglich zu erhalten und zu verbessern und dann weiter zu geben.
Und ich bin mir auch bewusst, dass mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit nicht alles, was ich tue, langfristig die beste Variante ist. Ziemlich sicher werden einige meiner Nachfolger sagen: Welcher Depp hat denn das zu veantworten? Das habe ich mir nämlich auch schon gedacht.... Ich kann nur versuchen, nach aktuellem Wissen bestmöglich zu handeln und dabei trotzdem möglichst wenig Optionen für die Zukunft auszuschließen - damit spätere Generationen ggf. umsteuern können. Und da bin ich mir ziemlich sicher, dass mit einem Nichtstun oder einem Weiter-so-wie-bisher die Optionen meiner Nachfolger deutlich mehr eingeschränkt wären.
Beantwortet das schon die Frage? Hmmm, vielleicht kommt da noch die déformation professionnelle der Förster dazu, das Wissen um das Eingebundensein in langfristige natürliche Prozesse und der Nachhaltigkeitsgedanke - also das in der Ausbildung aufgesogene und zum Teil der Persönlichkeit gewordene Bemühen, all die "Produkte" des Waldes, also Holz, Trinkwasser, Natur- und Artenvielfalt, Lärmschutz, Erholungsmöglichkeit, Klimaschutz und was da in Zukunft noch kommen mag, auch den künftigen Generationen zur Verfügung zu stellen.
Und das ist jetzt ziemlich viel metaphysisches Bohei um etwas, was unseren Vorgängern wohl durchaus bewusst war - das Wissen um die eigene Endlichkeit und gleichzeitig die Verantwortlichkeit für das eigene Tun und das Wohl künftiger Generationen....
Eigentlich könnte das recht gut so weiterlaufen - nur die Egoisten stören das System.
10 comments
Tanja - Loughcrew said:
Boarischa Krautmo replied to Tanja - Loughcrew:
ja dann vielen Dank......
Bergfex said:
warum "man das überhaupt macht", habe ich mir im Hinblick auf meine Aktivitäten bei und für ipernity auch manchmal gestellt. Die Antwort, die Du für Dich gefunden hast, kann ich nur unterschreiben: "Es ging darum, [] das, was [] zufällig zu mir kam, bestmöglich zu erhalten, zu verbessern und dann weiter zu geben.
Irgendwann im Leben ist unser aller Rolle eher die von Zuschauern. Sehen, was unsere Nachfolger/innen machen, unsere Kinder, unsere Enkel. Diesen können wir vielleicht noch das Eine oder Andere zeigen, oder Vorbild sein (im Guten wie im weniger Guten). So ist das Rad des Lebens.
Dass die Menschheit sich sofort bzw. vollständig umbringt, glaub ich nicht. Und wenn: Dem Planeten tät eine Auszeit ohne solch agressive Parasiten wie den Mesnchen mal gut. Aber im Blick auf meine Enkel denke ich natürlich: Das kann warten!
In dem Sinne: Frohe Feiertage.
Und: Nach den stillen Tagen wird's auch wieder ruhiger.
Boarischa Krautmo replied to Bergfex:
Edna Edenkoben said:
Ich hoffe, ich habe jetzt nichts falsches gesagt, denn es ist nicht immer leicht für mich, zwischen sinn und unsinn zu unterscheiden ;-)
Boarischa Krautmo replied to Edna Edenkoben:
Nach Frankl ist der Sinn ja ein jeweils persönlicher, er wohnt nicht der Sache inne, sondern wird vom Subjekt erst der Situation gegeben. In diesem Sinne (;-)) kann dieselbe Situation für unterschiedliche Menschen ganz unterschiedliche Sinne "machen".
Richtig/falsch wiederum ist eine Kategorie, die mit Sinn/Unsinn nichts zu tun hat - auch objektiv falsches kann sinnvoll sein. Das lässt sich ja täglich beobachten....
Als Unsinn wäre demzufolge eine Situation zu verstehen, der (noch) kein Sinn gestiftet wurde. In diesem Sinne wünsche ich frohe weihnachtliche Sinngebung! ;-))))
Boarischa Krautmo said:
Edna Edenkoben replied to Boarischa Krautmo:
Boarischa Krautmo replied to :
Edna Edenkoben replied to :