Samstag 4. September 2010 - Mittelbayerische Zeitung
Eingliederung ist für sie selbstverständlich
Die 17-jährige Özlem D. will in Deutschland Karriere machen. Probleme bei der Eingliederung hatte die junge Frau türkischer Abstammung nie.
Die Auszubildende Özlem D. fühlt sich wohl an ihrem Arbeitsplatz bei einer Baufirma - Foto: Lautner
Von Cornelia Lautner
Während ganz Deutschland über die Integrationswilligkeit muslimischer Bürger diskutiert, konzentriert sich Özlem D. ganz auf ihre berufliche Zukunft. Die 17-jährige mit türkischen Wurzeln hat am Mittwoch eine Ausbildung zur Bauzeichnerin bei der Baufirma Anton St. in N. begonnen. Es ist ihr Traumberuf, wie die junge Frau mit strahlenden Augen erzählt. Und es ist für sie selbstverständlich, ein bodenständiges Leben mit einer soliden Ausbildung in einem bayerischen Traditionsbetrieb zu führen.
Özlem D. ist Muslimin. Ihre Eltern sind als Kinder aus der Türkei nach Deutschland gekommen, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Inzwischen hat der Vater eine eigene Baufirma in Nittenau und spricht Bayerisch mit türkischem Akzent. „Das tun in unserem Betrieb viele“, sagt der St.-Geschäftsführer Siegfried D., dessen Firma seit den 70er Jahren türkische Mitarbeiter beschäftigt und heute einen Ausländeranteil von sechs Prozent hat. In den 80er Jahren kamen Tschechen hinzu, ab den 90ern auch einige Russlanddeutsche. Integrationsprobleme ausländischer Mitarbeiter sind D. fremd.
„Ich kann die Aussagen Thilo Sarrazins, dass sich Muslime nicht in die Gesellschaft eingliedern wollen, nicht bestätigen“, sagt D. über die umstrittenen Thesen des Bundesbankvorstands. Auch auf der Baustelle gebe es keinerlei Probleme: „Die türkischen Arbeiter essen eben Geflügel, wenn die anderen ihre Leberkässemmel essen. Das ist für alle ganz normal.“
Beruf kommt vor der Religion
Doch auch die muslimischen Mitarbeiter nehmen ihrerseits Einschränkungen hin. Özlem etwa hat am ersten Tag ihrer Ausbildung den Fastenmonat Ramadan abgebrochen. Zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang nichts zu essen und zu trinken, sei im Job einfach nicht durchzuhalten, sagt die 17-Jährige, die in Oberviechtach geboren wurde. Ihren Glauben vergisst sie dabei jedoch nicht: Die versäumten Tage holt sie an den Wochenenden nach. So weit, dass sie in der Arbeit ein Kopftuch als Symbol ihres Glaubens tragen würde, geht Özlem aber nicht. Bislang trägt sie es nie. „Das könnte ich jetzt nicht“, sagt sie. Aber später einmal, wenn sie in Mekka, der heiligsten Stadt der Muslime war, wird sie es tragen müssen – so schreibt es der Islam vor. Bis dahin plant die selbstbewusste junge Frau ihre Karriere.
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